Geschichte des Handels
Von der ersten Aktiengesellschaft bis zu den heutigen Handelsplattformen - oder umgekehrt in der Zeit zurück.
Eine digitale Ausstellung des Schweizer Finanzmuseums zur Geschichte des Börsenhandels
Börsenhandel heute
Handel - was ist das überhaupt?
«Handel» beschreibt das Kaufen und Verkaufen von Waren oder Wirtschaftsgütern. Daran sind mindestens zwei Parteien beteiligt. Zentral ist das Aushandeln, die Form hingegen unterliegt Strömungen der Zeit – per App, digital, elektronisch… bis zurück zum Handschlag. Fest steht, der Handel wird immer schneller und findet inzwischen weltweit praktisch rund um die Uhr statt.
Neue Erscheinungsformen des Handelns
Einführung des elektronischen Handels an der Börse
Meilensteine
Klicke auf die Pfeile links und rechts von der Box, um weitere Meilensteine zu sehen.
Die Umstellung zum elektronischen Handel bringt eine massive Zunahme an Umsätzen und Liquidität. Denn: Man muss nicht mehr am Ring präsent sein, sondern kann elektronisch von überall auf der Welt handeln.
Wo sind die Wertpapiere, wenn sie nicht mehr physisch die Hand wechseln? Die Wertpapiere werden zentral verwahrt, in der Schweiz wird dieser Service von der SIX erbracht. Im Zentraltresor in Olten lagern die Wertpapiere unter idealen konservatorischen - wie auch Sicherheitsbedingungen.
Übrigens ist hier auch der Teil der Sammlung des Finanzmuseums eingelagert, der gerade nicht in der Ausstellung gezeigt wird.
Podcast: «Börse einst – Börse heute»
Früher am Ring, heute im Serverraum; der Börsenhandel hat sich fundamental verändert. Darüber sprechen in dieser Podcastfolge der heutige Börsenchef Christian Reuss, von SIX Swiss Exchange und Dr. Richard T. Meier, früherer Direktor der Zürcher Börse. Moderiert wird das Gespräch von Werner Vogt, Mitglied im Stiftungsrat des Schweizer Finanzmuseums und einstiger Sprecher der Börse. Eine Folge über Unterschiede und Gemeinsamkeiten – und was eine Börse überhaupt macht.
Episode anhören
Der Ringhandel - à la criée
350 Händler arbeiten an der Ring-Börse, überwiegend sind es Männer. Die erste Frau startet ihre Börsenhändlerkarriere erst 1988.
Lesen Sie dazu auch unseren Blogbeitrag «Die erste Börsenchefin und der Start des elektronischen Handels».
Zum BlogbeitragEin Tag zur Zeit des Ringhandels
Handel „à la criée“
Es wird jeweils Geschäft um Geschäft abgewickelt. Jedes Aushandeln eines neuen Kurses dauert mindestens einige Sekunden.
Elektronischer Handel
Im elektronischen Handel werden alle gelisteten Titel zeitgleich gehandelt, zuerst in Sekunden, später in Millisekunden.
Ablauf eines Tages an der Börse: Ringhandel
Handelszeit: 9.30 - ca 12.00 Uhr
Ablauf eines Tages an der Börse: elektronischer Handel
Handelszeit: 9.00 - 17.30 Uhr
ab 1988: keine Mittagspause mehr
Mit der Einführung des Leitindex Swiss Market Index (SMI) gibt es keine Mittagspause mehr, denn die Berechnung des Index setzt einen permanenten Handel voraus. Bis 1988 gibt es auch noch keine offizielle Schlusszeit. Diese wird dann auf 13.15 Uhr festgelegt.
Lesen Sie dazu auch unseren Blogbeitrag «SMI — Die bekannteste Kurve der Schweiz» und erfahren Sie, was Derivate damit zu tun haben.
Zum BlogbeitragHandzeichen
Bei Abgabe eines Kaufangebots zeigen die Handflächen zum Körper - man holt es sich. Beim Vekaufsangebot ist es umgekehrt.
Das erste Börsenfernsehen
- 1930 wird in Zürich die Ticker AG gegründet, die per Telegraph die Kurse der Zürcher Börse weiterleitet.
- 1961 führen die beiden Unternehmen Autophon und Telekurs das erste Börsenfernsehen in den Börsen Basel und Zürich ein. Damit werden dem Empfänger nun Echtzeit-Übertragungen der handgeschriebenen Kursblätter geliefert. Die Büros neben dem Ring, Bankfilialen und Abonnenten im gesamten Stadtgebiet empfingen so Echtzeit-Information über bis zu 90 Titel und tätigen ihre Börsengeschäfte im Aufschwung der Nachkriegsjahre erheblich effizienter.
- Ab 1969 wird die Telextechnologie eingesetzt, um Kursinformationen in der ganzen Schweiz verfügbar zu machen.
Andere Länder, andere Handelsformen
Während in der Schweiz vor allem der Begriff «Ringhandel» geläufig ist, wird anderweitig zum Beispiel vom «Paketthandel» gesprochen. Beiden gemein ist, dass das Börsengeschäft vor Ort vollzogen wird, es handelt sich dabei also um Präsenzhandel. In der Schweiz wird dies aufgrund des Ringes – also der kreisförmigen Aufstellung der Händler, die ihre Gebote lautstark austauschen – entsprechend Ringhandel genannt. Beim Parketthandel suchen sich die Kaufs- und Verkaufspartei in der Regel im Gewühl selber. In Madrid an der spanischen Börse hingegen werden die Geschäfte lange in sogenannten «Los corros» » (zu Deutsch: Kreise) abgeschlossen und danach erst dem Börsenbeauftragen in der Mitte zum Aufschreiben gebracht.
Die Schweizer Börsenplätze entstehen
1850: Genf
Die erste Schweizer Börse, die den Ringhandel einführt, ist Genf. Die Idee der kreisförmigen Abschrankung, um die herum sich die Händler versammeln, wird von der Pariser Börse übernommen.
Die weiteren Börsenstandorte der Schweiz
134 Jahre Underdog: Die Berner Börse bleibt von 1884 bis 2018 eigenständig und hat sich auf Schweizer KMUs spezialisiert. Erst seit 2018 ist sie eine Tochter der Börse Stuttgart GmbH.
Wann wurde die Zürcher Börse gegründet? Es gibt mehrere Daten, die aufgeführt werden. 1855 ist das Gründungsjahr des Börsenverein Zürichs. 1877 wird sie das erste Mal in einem amtlichen Kursblatt erwähnt. Ab 1884 steht sie unter kantonaler Aufsicht. 1977 wird das 100-jährige Bestehen gefeiert, bezogen auf 1877.
Erste Börsen Europas
1409: Brügge
Handelsplätze zum Tausch von Waren und Leistungen existieren schon lange. Die erste Börse, die ausschliesslich Wertpapiere handelt, entsteht 1409 in Brügge.
Der Geburtsort des Begriffs «Börse». Die Beursplein im Zentrum von Brügge bestehend aus der Genueser Loge (zweites Haus von links), dem Gasthaus «Ter Beurze» (daran anschliessend – mit Storchennest), dem Haus «Ter Ouder Beurze» (mit Stufengiebel) und der Florentiner Loge (mit den Türmchen).
Quelle: Wikimedia Commons
An strategisch wichtigen Verkehrsknotenpunkten werden im Mittelalter grosse Warenmessen durchgeführt. Neben Waren tauscht man dort auch Währungen. Auch der Seehandel gewinnt an Bedeutung. In Norditalien, etwa in Venedig oder Florenz, und in Brügge in Flandern entstehen ab dem 14. Jahrhundert bedeutende internationale Handelszentren. So wird Brügge zum Warenlager der nordeuropäischen Hafenstädte. Waren, Gelder und Informationen strömen in der Hansestadt zusammen. Damit nimmt Brügge eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Handels und Zahlungsverkehrs ein. Gewürze aus Ostindien, englische Stoffe, Zucker, Rohstoffe werden auf dem europäischen Festland gelagert, gehandelt und verkauft. Zu den Akteuren gehören die Kaufleute, die in diese Zentren oder nach Übersee reisen, um die besten Geschäfte zu machen. Einer dieser Orte ist die Brügger Gastwirtschaft der Familie «van der Beurs». Im Wappen der Familie sind passend drei Geldbörsen abgebildet: «Zu den Beursen» gehen etabliert sich als Redewendung und trägt der Legende nach zur Entstehung des Begriffs «Börse» bei. «Beurs» heisst heute noch Börse in Niederländisch.
Amsterdam oder doch London?
Eine These besagt, dass die erste Wertpapierbörse die Amsterdamer Börse im 17. Jahrhundert sei, wo zum ersten Mal Anteile der Vereinigten Ostindischen Compagnie (VOC) gehandelt werden. Eine andere meint, dass die Royal Exchange in London etwa 30 Jahre vorher die Erste sei – diese geht Mitte des 17. Jahrhunderts in Flammen auf.
Die erste moderne Aktiengesellschaft der Welt
1602: Vereenigde Oostindische Compagnie (VOC)
Am 20. März 1602 schliessen sich sechs niederländische Handelsgesellschaften zu einer einzigen grossen Fernhandelsgesellschaft zusammen, der «Vereenigde Oostindische Compagnie», kurz VOC. Die VOC erhält das staatliche Monopol auf den Handel mit den Gebieten im Osten sowie östlich von Indien.
Die VOC ist berechtigt, Verträge zu schliessen...
...und bewaffnete Auseinandersetzungen zu führen.
In die VOC kann sich jeder einkaufen. Risiko und Gewinn werden so auf viele verschiedene Investoren verteilt. Anders als bei bisherigen Unternehmen ist das Kapital der VOC fest- und auf Dauer angelegt, ihre Aktien werden an der Amsterdamer Börse rege gehandelt.
Was ist eigentlich eine Aktie?
Als privater Unternehmer kann man sich vielleicht ein einziges Schiff leisten, das in der Hoffnung auf reichen Gewinn nach Indonesien und wieder zurückfährt. Wenn dieses jedoch missglückt, kommt das dem wirtschaftlichen Ruin gleich. Denn: Unwetter und Piraterie sind reale Gefahren.
Wenn man bei der VOC jedoch nur einen kleinen Anteil von mehreren Schiffen besitzt, fällt der Verlust eines einzelnen Schiffes nicht so sehr ins Gewicht. Pro Aktie werden damals durchschnittlich 18 Prozent Dividenden ausgeschüttet. Ein Teil davon auch als Realdividende in Form von Pfeffer.
Handelsroute
Niederländische Kolonialzeit
Die VOC hat ihren Hauptsitz in Amsterdam, Niederlande. Das Hauptquartier der Handelsschifffahrt befindet sich im Kolonialgebiet in der Stadt Batavia, der heutigen indonesischen Hauptstadt Jakarta auf Java. Batavia wird auf den Ruinen der von Truppen niedergebrannten Stadt Jayakarta gegründet.
Das Bild im Hintergrund am Anfang der Seite stammt von Jozef Linning mit dem Titel «de Beurs» / «La Bourse» - auf Deutsch: die Börse.
Konzeption und Umsetzung: Schweizer Finanzmuseum
Bilder: Wikimedia Commons oder eigene Darstellungen / Bilder
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