1920ER JAHRE
Ein Blick 100 Jahre zurück.
Eine digitale Ausstellung des Schweizer Finanzmuseums zur Wirtschaft der 1920er Jahre.
Tanz, Leichtigkeit und Aufbruchsstimmung
Die ganze Nacht hinweg bis in die frühen Morgenstunden tanzt man zu Klavierklängen: Der Charleston wird erfunden, der Jazz blüht auf. An den Tischen in den Nachtclubs wird um Geld gespielt. Der Qualm von Nikotin und Opium liegt in der Luft. In den mondänen Metropolen der westlichen Welt wie Paris, Berlin, London oder New York geniesst zumindest eine Elite aus Avantgardisten, Schönen und Reichen die euphorische Stimmung der 1920er Jahre.
Marlene Dietrich singt im Film «DER BLAUE ENGEL»:
FREIHEIT UND LEBENSLUST IST ANGESAGT. MODERNE UND AUFBRUCH.
Vor allem für die Frauen: Nachdem aufgrund des Ersten Weltkriegs fast eine ganze Generation Männer fehlt, brechen alte Werte und herkömmliche Strukturen auseinander. Die Frauen, die während des Kriegs die fehlende Arbeitskraft der Männer ersetzten, finden zum ersten Mal wirtschaftliche Unabhängigkeit. Ebenso führen Staaten wie die USA (1920) und Deutschland (1918) das Frauenstimmrecht ein. Übrigens: In der Schweiz feiert das Frauenstimmrecht hingegen dieses Jahr das 50. Jubiläum; 1971 wird es eingeführt.
Goldene Zwanziger Jahre
Der Ausdruck «Goldene Zwanziger» bezeichnet den Zeitabschnitt zwischen 1924 und 1929. Der Begriff veranschaulicht den Wirtschaftsaufschwung in den 1920er Jahren in vielen Industrieländern und steht auch für eine Blütezeit der Kunst, Kultur und Wissenschaft.
Technische Errungenschaften sind der Wegbereiter
Wichtige technische Erfindungen
Konjunktur im goldenen Jahrzehnt
DIE WIRTSCHAFT BOOMT.
Da die Produkte dank effizienteren Herstellungsmethoden günstiger werden, steigt die Nachfrage nach den günstigeren Gütern an. Somit steigt auch der Beschäftigungsgrad. Viele Menschen haben Arbeit, verdienen Geld und geben es aus.
USA:
Die Wirtschaft der USA, die als Sieger aus dem Ersten Weltkrieg hervorgeht, boomt nach einer kurzen Rezession und gewährt auch Kredite für Europa. Die USA wird zum reichsten Land pro Kopf. Im Gegensatz dazu hatten die europäischen Volkswirtschaften eine schwierigere Nachkriegszeit und beginnen erst um 1924 zu blühen.
Deutschland:
Der Vertrag von Versailles erschüttert nach dem Ersten Weltkrieg mit den als hart empfundenen Reparationszahlungen Deutschland: Armut, Arbeitslosigkeit, Kriegstrauma sind vorherrschend am Beginn der Weimarer Republik. Die heftige Geldentwertung - Inflation - findet ihren Höhpunkt 1923 in einer Hyperinflation. Die damalige Mark entwertet sich gegenüber dem Dollar immer schneller.
Dann erholt sich auch Deutschland dank dem Dawes-Plan und folgt dem Trend, der in den USA bereits vorherrscht: Euphorie an den Aktienmärkten. Über 10'000 Aktiengesellschaften werden in Deutschland notiert - Höchstand - nie wieder werden so viele Aktiengesellschaften gelistet sein. Die Spekulationsblase nimmt ihren Lauf. Noch kennt man weder Regulierungen und noch eine Börsenaufsicht.
...und die Schweiz?
Nach dem Kriegsende kommt es in der Schweiz zu einer ersten Wirtschaftskrise. Besonders betroffen davon ist die Ostschweiz mit der Textilindustrie, die stark unter der fehlenden ausländischen Nachfrage nach Luxusprodukten leidet und sich davon auch nie mehr in dem Masse erholen wird. Nach der Stabilisierung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland ab 1924, erholt sich die Schweizer Wirtschaft auch wieder etwas, beispielsweise erföffnet die Migros 1926 den ersten festen Laden. Bereits Ende der 1920er Jahre ist die Schweiz führend in Europa punkto Vermögensverwaltung - noch vor der Einführung des Bankgeheimnisses. Im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten bleiben die Preise in der Schweiz in den 1920er Jahren immer relativ stabil. Zu einer Phase von hoher Inflation oder gar von Hyperinflation kommt es nicht.
... und das jähe Ende.
Ein Konjunkturabschwung bringt die Wende: Kursgewinne bleiben aus. Warnungen von Finanzexperten, die ein Platzen der Spekulationsblase voraussagen, werden ignoriert. Durch die fehlende Nachfrage beginnt ab Mitte Oktober 1929 ein Rückgang der Kurse. Dies führt schnell zu einer Panik unter den Anlegern, die ihre Wertpapiere rasch verkaufen möchten, um die Kredite zurückzahlen zu können. Am Donnerstag, dem 24. Oktober 1929, kommt es schliesslich zum Zusammensturz der Kurse - das abrupte Ende des Aufschwunges. Dieser trifft auch die europäischen Börsen. Es folgt die Weltwirtschafskrise von 1929 bis 1933.
Wertpapiere aus den 1920er Jahren
In der Sammlung historischer Wertpapiere finden sich über 500 Wertpapiere aus den 1920er Jahren, noch längst nicht alle davon sind Gründeraktien. Hier eine kleine Auswahl, die aus unserer Sicht besonders gut in die goldenen Zwanziger Jahre passen - handeln sie doch von Konsumfreuden, Freizeit und Gesundheit.
Aux Galeries Lafayette
Aux Galeries Lafayette, 15.12.1922
1895 als Modewarengeschäft gegründet und 1899 in die Aktiengesellschaft
«Aux Galeries Lafayette»
umgewandelt, gehört das Warenhaus bald zu den Grands Magasins von Paris. Im Jahr 1912 eröffnet das prachtvolle Gebäude mit der farbigen Glaskuppel des Jugendstilpalasts. Zehn Jahre später, 1922 eröffnet das Kaufhaus die Kunstgewerbewerkstätten "La Maîtrise" unter der künstlerischen Leitung von Maurice Dufrêne. Ziel dieser Werkstätten ist es, Werke wie Möbel, Stoffe, Teppiche, Tapeten oder Töpferwaren herzustellen, die für grosse und kleine Budgets zugänglich sind.
HOTEL WALDORF-ASTORIA CORPORATION
Hotel Waldorf-Astoria Corporation, 01.09.1929
Was Rang und Namen hat, steigt im Waldorf-Astoria in New York an der Park Avenue ab. Ursprünglich standen das Waldorf und das Astoria Hotel – beide in den 1890er Jahren von Mitgliedern der reichen Familie Astor gegründet – an der Stelle, wo sich heute das Empire State Building erhebt. 1929 müsen sie dem Bauvorhaben weichen. Zur Finanzierung des Neubaus wird von der Hotel Waldorf-Astoria Corporation auch eine Hypothekaranleihe ausgegeben. Seit 1972 gehört das Hotel zur Hilton-Kette.
Madame Tussaud's (1926) Limited
MADAME TUSSAUD'S (1926) LIMITED, 05.09.1928
Madame Tussauds – die weltbekannte Touristenattraktion trägt noch immer den Namen ihrer Gründerin. Im Berner Haushalt des Dr. Curtius aufgewachsen, folgt Marie Grosholtz dem Wachsbildner nach Paris, der sie ausbildet und ihr später seine Wachsfigurensammlung hinterlässt. Nach den Wirren der Französischen Revolution lässt die inzwischen als «Marie Tussaud» bekannte Künstlerin ihren Ehemann und einen Sohn in Paris zurück, um in England mit einer Wanderausstellung Geld zu verdienen. Von 1802 bis 1835 tingelt sie durch Grossbritannien bis sie in London ihre erste permanente Ausstellung eröffnet. Im Jahr 1926 wandeln ihre Nachfahren das Wachsfigurenkabinett in eine Aktiengesellschaft um.
Parfums Marcel Guerlain
PARFUMS MARCEL GUERLAIN, 22.12.1924
Seit Generationen steht der Name «Guerlain» für die exklusivsten Parfüms der Welt. Von 1828 bis 1994 kreieren die Nachfahren des Pierre François Pascal Guerlain ein wahres Duftuniversum. Als im Jahr 1923 ein nicht mit der Familie verwandter Konkurrent unter dem Namen «Parfums Marcel Guerlain» sein eigenes Unternehmen in Paris eröffnet, kommt es zu einem jahrelangen Rechtsstreit. «Wir haben keinen Vornamen», so wirbt das alteingesessene Original, das heute zum Luxusgüterkonzern LVMH gehört.
Société Internationale des Écoles Berlitz
Société Internationale des Écoles Berlitz, 05.10.1928
Das Beherrschen verschiedener Sprachen und konstante Weiterbildung wird heute für eine erfolgreiche Karriere vorausgesetzt. Ein Pionier der internationalen Sprachschulen ist Maximilian Berlitz, der 1870 aus dem Schwarzwald nach Amerika auswandert. 1878 gründet er seine erste Schule, die bald Niederlassungen in Europa und später in der ganzen Welt errichtet. Die Société Internationale des Écoles Berlitz in Frankreich gibt es seit 1895. Berlitz verstirbt 1921. Er vererbt die Sprachschule an seinen Enkel Charles Berlitz, der später ein erfolgreicher Schriftsteller wird.
Gesellschaft für Chemische Industrie in Basel
Gesellschaft für Chemische Industrie in Basel, 20.05.1920
In der Schweiz ist Alexander Clavel der erste und bedeutendste Produzent von Teerfarben (Fuchsin). Seine 1859 gegründete Farbstofffabrik verkauft er 1884 an Bindschelder & Busch, die sie in die AG «Gesellschaft für Chem. Industrie in Basel» (kurz Ciba – als offizieller Firmenname aber erst ab 1945 im Einsatz) umwandeln. 1900 produziert die Ciba die ersten pharmazeutischen Wirkstoffe: Vioform, ein Antiseptikum und Salen, ein Antirheumatikum. In den 1920er Jahre sind Pharmazeutika ertragsreich und wachstumsstark, Ciba investiert deshalb auch in den Aufbau der wissenschaftlich-pharmazeutischen Abteilung. Ciba bringt in den 1920er Jahren mehrere Hormonpräparate auf den Markt, beispielsweise für Menstruations- und Wechseljahrbeschwerden.
Podcast zur Ausstellung
Professor Dr. Tobias Straumann zur Wirtschaft der 1920er Jahre.
Der 15-minütige Podcast greift das Thema der gleichnamigen digitalen Ausstellung des Schweizer Finanzmuseum auf und beleuchtet weitere Aspekte der damaligen wirtschaftlichen Entwicklungen. Einblick in die Wirtschaft der 1920er Jahre gibt Prof. Dr. Tobias Straumann. Er lehrt Wirtschaftsgeschichte an der Universität Zürich und ist ehemaliges Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung historischer Wertpapiere, die das Schweizer Finanzmuseum betreibt.